Selbstführung
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Die WG in meinem Kopf – Wer heute das Steuer übernimmt
In unserem Kopf lebt eine innere WG aus verschiedenen Persönlichkeitsanteilen – vom Abenteurer über den Zweifler bis zum Dankbaren – die unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen. Indem wir bewusst steuern, wer das Steuer übernimmt, können wir unsere innere Balance finden und im Sport, Beruf und Alltag souveräner agieren.
Wer sitzt am Steuer?
Unsere Mitbewohner wechseln sich ab – je nach Situation, Stimmung, Energielevel oder äusseren Umständen. Nach einer schlechten Nacht übernimmt bei mir oft der Ungeduldige: „Das kann doch nicht wahr sein, ich habe keine Energie für den Tag!“ Nach einem erfolgreichen Tag im Beruf meldet sich stolz der Abenteurer: „Ich bin energetisch und selbstbewusst, ich freue mich und bin voller Zuversicht und Tatendrang!“ In Momenten des Glücks, umgeben von Familie und Freunden, darf der Dankbare das Steuer halten: „Ich fühle mich sicher, geborgen, zufrieden und ausgeglichen.“
Doch was passiert, wenn der Zweifler in einer wichtigen Entscheidungssituation das Steuer übernimmt? Oder der Ungeduldige in einem Moment, der eigentlich Geduld erfordert? Die Mitbewohner bestimmen, wie wir fühlen, denken, handeln und die Welt wahrnehmen.
Einblicke in die innere WG
Stell dir vor, jede dieser Seiten ist wie ein eigenständiger Charakter von dir. Sie haben nicht nur ihre eigene Stimme, sondern auch eine ganz eigene Art zu atmen, ihre eigene Körperspannung und sie lösen unterschiedliche biochemische Reaktionen in deinem Körper aus:
Der Ungeduldige: Er schickt Adrenalin durch die Adern, ist angespannt, erhöht deine Herzfrequenz und bereitet dich auf impulsive Handlungen vor.
Der Zweifler: Lässt den Cortisolspiegel steigen, dein Gehirn sucht nach Risiken und Gefahren – der Körper ist in Alarmbereitschaft.
Der Abenteurer: Aktiviert Dopamin, das Belohnungshormon, das dir Freude und Motivation gibt, Neues zu wagen.
Der Geniesser: Fördert Serotonin, das Hormon der Ruhe und Zufriedenheit.
Der Dankbare: Löst Oxytocin aus, das Bindungshormon, das uns Sicherheit und Geborgenheit gibt.
Diese Mitbewohner sind meine ganz persönlichen. Doch wie sieht es bei dir aus? Welche Stimmen wohnen in deiner inneren WG? Vielleicht erkennst du dich in meinen Charakteren wieder, vielleicht aber auch nicht. Frag dich: Wer übernimmt bei dir die Führung – und wann?
Spitzensport: Den Druck managen und den Fokus halten
Im Spitzensport ist die innere WG oft besonders laut. Druck, hohe Erwartungen und Unsicherheiten können dafür sorgen, dass der Zweifler oder der Ungeduldige das Steuer übernimmt – genau die Mitbewohner, die dir in entscheidenden Momenten im Weg stehen.
Der Zweifler: „Was, wenn ich versage? Ich darf keinen Fehler machen!“
Der Ungeduldige: „Ich muss jetzt entscheiden, ich habe keine Zeit, mach jetzt!“
In solchen Momenten braucht es eine andere Seite, welche Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hat und sich auf die Herausforderung freut. Doch wie holst du den Abenteurer oder Zuversichtlichen ans Steuer?
Konkret: Praktische Techniken
Selbstgespräche: Finde kraftvolle, positive Sätze, die dich fokussieren. Zum Beispiel: „Ich bin bereit. Ich habe das trainiert. Ich freue mich, zu zeigen, was ich kann.“
Atemtechnik: Vor dem Wettkampf: Nimm fünf tiefe Atemzüge durch die Nase ein und atme langsam durch den Mund aus. Dies signalisiert deinem Nervensystem, dass du sicher bist und entspannt bleiben kannst.
Körpersprache: Stehe aufrecht, mit lockeren Schultern und einem ruhigen Blick. Körpersprache beeinflusst deinen mentalen Zustand. Dein Gehirn nimmt wahr: „Ich bin stark, ich bin ruhig.“
Visualisierung: Stelle dir vor, wie du einen entscheidenden Moment meisterst – wie ein sicherer Pass, eine perfekte Parade oder ein klarer Angriff. Male dir diese Situation im Detail aus.
Beispiel: Ein Torhüter vor einem Elfmeter sagt sich innerlich: „Ich atme ruhig, ich bin bereit, ich vertraue meinen Reflexen.“ Er bleibt in einer lockeren Grundposition, fixiert den Schützen mit den Augen und wartet auf das richtige Signal.
Führungskraft: Zwischen Empathie und Klarheit balancieren
Führung bedeutet, unterschiedliche Rollen in deiner inneren WG zu nutzen. Empathie und Verständnis sind essenziell, wenn es darum geht, Vertrauen aufzubauen. Doch es gibt auch Momente, in denen du Klarheit und Entschlossenheit brauchst, um schwierige Entscheidungen zu treffen.
Konkret: Praktische Techniken
Empathie aktivieren:
Selbstgespräche: „Ich nehme mir Zeit, die Perspektive meines Teams zu verstehen.“
Atemtechnik: Vor einem Gespräch: Atme ein, zähle bis vier, halte die Luft für vier Sekunden, und atme dann langsam aus. Dies hilft dir, ruhig und zentriert zu bleiben, auch in angespannten Situationen.
Gesten: Mache offene Handbewegungen, halte Augenkontakt und nicke, um deinem Gegenüber zu zeigen, dass du zuhörst und präsent bist.
Entschlossenheit stärken:
Selbstgespräche: „Ich kann klare Entscheidungen treffen. Mein Team braucht Orientierung.“
Körpersprache: Stelle dich stabil hin, mit festem Stand und aufrechter Haltung. Dein Blick ist ruhig, aber direkt.
Beispiel: Du musst in einem Meeting eine Entscheidung kommunizieren, die nicht jedem gefallen wird. Sage dir innerlich: „Ich bleibe ruhig und klar. Diese Entscheidung dient dem Ziel.“ Sprich mit einer ruhigen, aber festen Stimme: „Ich weiss, dass diese Entscheidung schwer ist, aber sie ist notwendig, um unser Projekt voranzubringen. Lasst uns gemeinsam die beste Lösung finden.“
Alltag: Harmonie finden und Konflikte lösen
Auch in privaten Situationen bestimmt deine innere WG, wie du reagierst. Ein Streit mit deinem Partner, der Stress im Familienalltag oder ein Moment der Freude – all das ruft verschiedene Mitbewohner auf den Plan.
Konkret: Wie schaffst du Harmonie?
Selbstgespräche: Nach einem Streit oder einer stressigen Situation: „Ich nehme mir Zeit, zu reflektieren. Was ist wirklich wichtig? Wie möchte ich die Beziehung gestalten?“
Atemtechnik: Drei tiefe Atemzüge, die dir helfen, den Stress abzubauen, bevor du sprichst oder handelst.
Fokus auf das Positive: Denke am Ende eines Tages an drei Dinge, für die du dankbar bist. Dies lenkt deinen Blick weg von Problemen hin zu den schönen Momenten.
Beispiel: Nach einem Streit mit deinem Partner: Sage dir innerlich: „Ich atme ruhig. Ich lasse los, was mich ärgert, und konzentriere mich auf das, was uns verbindet.“ Du suchst bewusst das Gespräch und sagst: „Ich möchte, dass wir darüber reden, weil mir unsere Beziehung wichtig ist.“
Fazit: Die Kunst, deine innere WG zu führen
Stell dir deine innere WG wie eine Gemeinschaft vor, die nur so gut funktioniert, wie du sie leitest. Jede deiner Seiten – sei es der Abenteurer, der Zweifler, der Ungeduldige oder der Geniesser – hat ihre Berechtigung. Die Kunst besteht darin, diese Seiten bewusst wahrzunehmen und zu steuern.
Du bist nicht die Summe deiner Stimmen – du bist der WG-Leiter. Du kannst wählen, wer das Steuer übernimmt. So schaffst du nicht nur Harmonie in deinem Inneren, sondern kannst auch in der äusseren Welt souveräner, klarer und erfüllter handeln – sei es im Spitzensport, im Beruf oder im Alltag.